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Karl Marx über das Bauerntum und die Bündnisfrage

Published online by Cambridge University Press:  18 December 2008

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Zu dem theoretischen und politischen Erbteil, das Karl Marx der Arbeiterbewegung hinterlassen hat, gehört die Lehre von dem Bündnis zwischen Proletariat und Bauerntum, die für die marxistischen Parteien bis in die Gegenwart von Bedeutung geblieben ist. Ihre erste Bewährungsprobe hat sie schon am Ende des 19. Jahrhunderts bestehen müssen, als die deutsche Sozialdemokratie vor der Frage gestanden hat, ob sie in programmatischer Form für die Bauern eintreten solle oder nicht. Ihre 1895 auf dem Parteitag von Breslau ausgesprochene Absage an ein bauernfreundliches Agrarprogramm hat das Dilemma offenbart, das dem Marxschen Konzept der Bündnisfrage innewohnte: das Dilemma zwischen der politischen Notwendigkeit des Bündnisses und der theoretischen Bedenklichkeit der dafür einzusetzenden Mittel. Einerseits war es für die Arbeiterparteien erstrebenswert, ihren politischen Einflußbereich über die engeren sozialen Grenzen, die ihnen gezogen waren, auszuweiten, aber andererseits hatten sie dabei die sozialistischen Prinzipien zu berücksichtigen, die das Ziel ihres politischen Strebens festlegten. Das bedingte, daß das Zusammengehen mit den Bauern nicht um jeden Preis, sondern nur zu einem theoretisch zulässigen herbeigeführt werden durfte und daß die Arbeiterparteien zu entscheiden hatten, welche Politik gegenüber den Bauern mit marxistischen Grundsätzen vereinbar war und welche Maßnahmen am ehesten die Aussicht boten, einen Teil der Landbevölkerung für die eigene Sache interessieren zu können.

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Research Article
Copyright
Copyright © Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis 1966

References

page 382 note 1 Vgl. die ungedruckten Dissertationen Dittmar, von G., Zur Theorie und der Praxis der sozialdemokratischen Landagitation unter den deutschen Kleinbauern in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts, phil. Diss. Rostock 1964Google Scholar; Hesselbarth, H., Die deutsche Sozialdemokratie und die Bauern (1890 bis 1895), phil. Diss. Berlin (Ost) 1964Google Scholar; Nau, H., Sozialdemokratische Agrarpolitik und Bauernschaft, agr. Diss. Berlin (Ost) 1961.Google Scholar

page 383 note 1 Einen relativ ausführlichen Überblick bietet Schaaf, F., Der Kampf der deutschen Arbeiterbewegung um die Landarbeiter und werktätigen Bauern 1848–1890, Berlin 1962, S. 29ffGoogle ScholarHesselbarth, Von H., Blatt 304f.Google Scholar, ist auf das Fehlen einer zusammenhängenden Darstellung der Marxschen Theorie von den Bauern hingewiesen, die Existenz solch einer Theorie aber als unbestreitbar angesehen worden.

page 383 note 2 Die Wege, auf denen sich der Groηetrieb an die Stelle des Bauernbetriebs gesetzt hatte, hat Marx im 1. Band des „Kapital” beschrieben, s. Marx, K. und Engels, F., Werke [= MEW], Bd. XXIII, S. 744ff.Google Scholar

page 383 note 3 Marx' Agrartheorie, deren Kern die Lehre von der Differentialrente und der absoluten Rente ist – enthalten im 3. Band des „Kapital”, s. MEW XXV, S. 633ff., 756ff. –, ist in folgenden Werken bercits dargestellt worden: Kautsky, K., Die Agrarfrage, Stuttgart 1899 S. 56ff.Google Scholar; Cohnstaedt, W., Die Agrarfrage in der deutschen Sozialdemokratie von Karl Marx bis zum Breslauer Parteitag, München 1903, S. 10ff.Google Scholar; Kemper, M., Marxismus und Landwirtschaft. Eine Darstellung der Entwicklungstendenzen marxistischer Agrar-theorie und Agrarpolitik, agr. Diss. Bonn-Poppelsdorf 1929, S. 13ffGoogle Scholar; vgl. Benary, auch A., Aktuelle Probleme der Agrartheorie des Marxismus-Leninismus, Berlin 1955, S. 15ff.Google Scholar; Ritter, K., Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im Kapitalismus, 1. Halbband, Berlin 1955, S. 95ff.Google Scholar

page 384 note 1 MEW XXV, S. 821.

page 384 note 2 MEW XXm, XXIII, S. 791.

page 384 note 3 MEW XVIII, S. 60ff. („Über die Nationalisierung des Grund und Bodens”, 1872).Google Scholar

page 384 note 4 A.a.O., S. 62.

page 384 note 5 MEW XXV, S. 815; vgl. MEW III, S. 531f., MEW XVI, S. 558.

page 384 note 6 MEW XXIII, S. 528.

page 385 note 1 MEW XXV, S. 689, 663.

page 385 note 2 A.a.O., S. 814, 703; vgl. Mitrany, D., Marxismus und Bauerntum, München 1956, S. 22.Google Scholar

page 385 note 3 MEW XXV, S. 627: bei der kleinbäuerlichen Agrikultur sei „der Besitz von Grund und Boden […] eine der Produktionsbedingungen für den unmittelbaren Produzenten”. Vgl. S. 815; femer MEW XXIII, S. 789: „Das Privateigentum des Arbekers an seinen Produktionsmitteln ist die Grundlage des Kleinbetriebes, der Kleinbetrieb eine notwendige Bedingung für die gesellschaftliche Produktion.” Vgl. Mitrany, D., S. 22.Google Scholar

page 385 note 4 MEW XXIII, S. 789.

page 385 note 5 MEW XXV, S. 821.

page 385 note 6 A.a.O., S. 816ff. Der Kapitalmangel zog den Zwang zur Verschuldung nach sich, so daß das verpfändete bäuerliche Grundeigentum de facto zu einen Eigentum der Gläubiger wurde.

page 385 note 7 A.a.O., S. 689.

page 385 note 8 A.a.O., S. 815f.; vgl. MEW XXIII, S. 789.

page 386 note 1 MEW XXV, S. 820.

page 386 note 2 A.a.O., S. 821. Vgl. auch die Wendung vom „Idiotismus des Landlebens” im Kommu- nistischen Manifest, MEW IV, S. 466. Nicht leicht zu interpretieren ist in diesem Zusammenhange die günstige Beurteilung des Kleinbauern, die Marx bei Gelegenheit der Wirkungen, die der Zyklus von Preissteigerung und Überproduktion auf den Fortschritt der landwirtschaftlichen Produktion hatte, einfließen lie „die rationelle Agrikultur unverträglich ist mit dem kapitalistischen System […] und entweder der Hand des selbst arbeitenden Kleinbauern oder der Kontrolle der assozüerten Produzenten bedarf”. MEW XXV, S. 131.

page 387 note 1 MEW IV, S. 472 („Manifest del Kommunistischen Partei”, 1848).Google Scholar

page 387 note 2 MEW XVIII, S. 61 („Über die Nationalisierung” usw.).

page 387 note 3 MEW Vn, S. 21 („Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850”, 1850).Google Scholar

page 387 note 4 A.a.O., S. 18.

page 387 note 5 A.a.O., S. 44.

page 387 note 6 MEW VIET, S. 204, Anm. („Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte”, 1852Google Scholar). Ganz in diesem Sinne hat Marx 1856 gegenüber Engels den Erfolg einer möglichen Revolution in Deutschland davon abhängig gemacht, ob es gelingen werde, im Ernstfalle „to back the Proletarian revolution by some second edition of the Peasants' war”. MEW XXIX, S. 47 (Marx, an Engels, , 16. 4. 1856).Google Scholar

page 388 note 1 MEW XXV, S. 815; vgl. MEW XXIII, S. 784, MEW XVII, S. 551f.

page 388 note 2 MEW XVII, S. 551 (1. Entwurf zum „Bürgerkrieg in Frankreich”, 1871).Google Scholar

page 388 note 3 A.a.O., S. 345 („Der Bürgerkrieg in Frankreich”, 1871).Google Scholar

page 388 note 4 A.a.O., S. 551.

page 388 note 5 A.a.O., S. 551f.

page 389 note 1 MEW XXXn, S. 669 (Marx, K. an Meyer, S. und Vogt, A., 9. 4. 1870Google Scholar). Ferner MEW XVI, S. 559 (Aufzeichnung zweier Reden Karl Marx, von über das Grundeigentum, 6. 7. 1869Google Scholar): „in England könne der Grund und Boden innerhalb von viettiehn Tagen durch einen Parlamentsakt in Gemeineigentum umgewandelt werden”.

page 389 note 2 MEW VII, S. 84(„Die Klassenkämpfe” usw.); vgl. MEW XVIII, S. 630f.

page 390 note 1 MEW XVII, S. 552 (1. Entwurf usw.); vgl. auch die Maßnahmen, die im Kommuni-stischen Manifest dem Zur Herrschaft gelangten Proletariat vorgeschlagen werden, MEW IV, S. 481.

page 390 note 2 MEW VII, S. 251f. („Ansprache der Zentralbehrde an den Bund vom Marz 1850”): die Arbeiter hatten zu verlangen, „daß Das konfiszierte Feudaleigcntum Staatseigentum bleibt und zu Arbeiterkolonien verwandt wird, die das assozüerte Landproletariat […] bearbeitet.” Im gleichen Sinne hat sich Marx Jahrzehnte später an einer Stelle geäußert, an der er grundsätzlich für eine gewinnende Taktik des Proletariats gegenüber den Bauern eingetreten ist; er widerriet es abermals, das Parzelleneigentum „einfach durch Annexation der großen Güter an die Bauern” zu kräftigen. MEW XVIII, S. 633 (von Bakunins, Kon-spekt „Staadichkeit und Anarchie”, 1874).Google Scholar

page 390 note 3 MEW XVIII, S. 60 („Über die Nationalisierung” usw.)

page 391 note 1 MEW XVII, S. 551 (I. Entwurf usw.).ö

page 391 note 2 MEW VII, S. 21 („Die Klassenkämpfe” usw.); MEW VIII, S. 202; MEW IV, S. 472.

page 391 note 3 MEW XXV, S. 812ff.: hier handelt Marx den bauerlichen Kleingrundbesitz expressis verbis unter dem Kennzeichen „Parzelleneigentum” ab; vgl. MEW XXV, S. 689, wo dem Bauern die „kleine Parzelle” zugeordnet wird; a.a.O., S. 882, exemplifiziert Marx auf den „kleinen Bauer”; MEW XXIII, S. 775, ebenso; ferner werden MEW XVIII, S. 633, Parzelleneigentum und Bauer einander gleichgesetzt.

page 392 note 1 Vgl. seine Artikel in der Rheinischen Zeitung aus dem Jahr 1843; MEW I, S. 172ff.

page 392 note 2 Mit der sozialen Lage und der politischen Rolle des Bauemtums in Frankreich hat sich Marx wiederholt beschäffigt, s. MEW VII, S. 83ff., MEW VIII, S. 198ff, MEW XVn, S. 345. 551.

page 392 note 3 MEW XXIII, S. 745: „In alien Ländern Europas ist die feudale Produktion durch Teilung des Bodens unter möglichst viele Untersassen charakterisiert”.

page 393 note 1 MEW XXIII, S. 744ff.

page 393 note 2 A.a.O., S. 775f.

page 393 note 3 A.a.O., S. 789f., 742.

page 393 note 4 A.a.O., S. 788.

page 393 note 5 MEW XXV, S. 815. Die an dieser Stelle des weiteren als Verelendungsursachen ange- führte Vemichtung der Hausindustrie und Usurpation des Gemeineigentums durch die Grofigrundbesitzer gehören noch in die vorkapitalistische Entwicklungsphase und haben in der zweiten Hälffe des 19. Jahrhunderts nur eine geringe Bedeutung gehabt.

page 394 note 1 Ebda. Vgl. dazu die Ausführungen über den Dtuck, den Schulden und Steuern auf die französischen Bauern ausübten: MEW VII, S. 83f., MEW VIII, S. 201f., MEW XVII, S. 551f.

page 394 note 2 Marx hat davon gesprochen, daß die „ständig wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung” und das „dauernde Steigen det Preise landwirtschafflicher Erzeugnisse” eine Nationali- sierung des Gtund und Bodens als notwendig erwiesen hatten - MEW XVIII, S. 60 (über die Nationalisietung” usw.) ‐, aber als zwingende Momente haben sich diese Ten- denzen nicht dutchgesetzt.

page 395 note 1 Dessen ist die Arbeiterbewegung auch nicht durch das Aufkommen der sog. überseei-schen Konkurrenz enthoben worden, von der sich noch Friedrich Engels – s. seine Glosse im 3. Band des „Kapital”, MEW XXV, S. 735f. – und Karl Kautsky – s. Schaaf, F., S. 230Google Scholar – das schnelle Ende der europäischen Landwirtschaft versprochen hatten.

page 396 note 1 Über die Stellungnahme der Internationalen in der Agrarfrage s. Schaaf, F., S. 49ffGoogle Scholar; Braunthal, J., Geschichte der Internationale, Bd. I, Hannover 1961, S. 113, I43f., 147, I49f.Google Scholar; Kriwogus, I. M., Stezkewitsch, S. M., Abriß der Geschichte der I. und II. Inter nationale, Berlin 1960, S. 72f., 82f., 94f.Google Scholar

page 396 note 2 MEW XVI, S. 8f. („Inauguraladresse der IAA”, 1864).Google Scholar

page 396 note 3 MEW XXXII, S. 558 (Marx, K. an Eccarius, G. und Leßner, F., 10. 9. 1868).Google Scholar

page 396 note 4 Schaaf, F., S. 58.Google Scholar

page 396 note 5 MEW XVI, S. 558f. (Aufzeichnung zweier Reden usw.).

page 396 note 6 Schaaf, F., S. 61, 64.Google Scholar

page 397 note 1 MEW XXXII, S. 632 (Marx, K. an Lafargue, Laura, 25. 9. 1869).Google Scholar

page 397 note 2 Schaaf, F., S. 94fGoogle Scholar. Zum Unterschied davon hatte der konkurrierende lassalleanische Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) die Baseler Beschlüsse öffentlich bejaht.

page 397 note 3 Liebknecht, W., Die Grund- und Bodenfrage, Leipzig 1874, S. 3Google Scholar: „Unser Verhaltnis zur Internationalen laßt uns die Entscheidung vollkommen frei”. Vgl. dazu den von Marx selbst aufgestellten Satz: „Es ist Aufgabe der Internationalen Arbeiterassoziation, die spontanen Bewegungen der Arbeiterklasse zu vereinigen und zu verallgemeinern, doch nicht, ihnen irgendein doktrinãres System zu diktieren oder aufzudrängen”. MEW XVI, S. 195 (Instruktion für die Delegierten des Provisorischen Zentralrats, 1867). Über die Motive für das Zögern der SDAP s. Morgan, R., The German Social Democrats and the First International, Cambridge 1965, S. 192ffGoogle Scholar; Schaaf, F., S. 10ff.Google Scholar; Mehring, F., Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, 2. Teil, Berlin 1960, S. 348ff.Google Scholar

page 397 note 4 Liebknecht, W., S. 20Google Scholar: „Die Baseler Beschlüsse sind wesentlich theoretischer Natur und haben keinen praktischen unmittelbaren Charakter.”

page 397 note 5 Liebknecht, W., Briefwechsel mit Karl Marx und Friedrich Engels, hrsg. von G. Eckert, The Hague 1963, S. 96Google Scholar (Liebknecht, W. an Engels, F., 5. 4. 1870Google Scholar): „Die Industrie- arbeiter allein können in Deutschland keine Revolution machen [… Die Bauern] müssen wenigstens soweit gewonnen sein, daß sie uns nicht entgegentreten. Wie die Dinge jetzt liegen, würde das städtische Proletariat von den Bauern mit Dreschflegeln totgeschlagen werden.”

page 398 note 1 MEW XXXII, S. 380 (Marx, K. an Engels, F., 30. 10. 1869).Google Scholar

page 398 note 2 MEW XVIII, S. 633 (Konspekt von Bakunins usw.).

page 398 note 3 MEW XXXII, S. 382 (Engels, F. an Marx, K., 1. 11. 1869).Google Scholar

page 399 note 1 Vgl. Morgan, R., S. 194ff.Google Scholar

page 399 note 2 Schaaf, F., S. 113Google Scholar; vgl. Bebel, A., Aus meinem Leben, 2. Teil, Berlin 1953, S. 106fGoogle Scholar. Diese Resolution entsprach auch den grundsätzlichen Ansichten Liebknechts, die er unbeschadet seines taktisch bedingten Verhaltens bereits im Frühjahr 1870 formuliert hatte, s. Lieb-knecht, W., Zur Grund- und Bodenfrage, S. 60ff.Google Scholar

page 399 note 3 MEW XVII, S. 421 („Beschlüsse der Delegiertenkonferenz der IAA”, 1871Google Scholar). Der Antrag ist von Marx eingebracht und begründet Worden.

page 401 note 1 Marx, Für ist eine Vermehrung des Privateigentums selbst als taktisches, vorläufiges Argument nicht in Frage gekommen, s. MEW XVIII, S. 633Google Scholar (Konspekt zu Bakunins usw.). Dementsprechend dürfte MEW XVI, S. 5681”. („Adresse der Land and Labour League an die Arbeiter und Arbeiterinnen von Großbritannien und Irland”, 1869Google Scholar), wo neben der Nationalisierung des Bodens die innere Kolonisation, d.h. Ansiedlung der Landarbeiter und Arbeitslosen auf dem nationalisierten Boden, gefordert wurde, so zu verstehen sein, daß nicht individuelle, sondern genossenschaftliche Ansiedlung beabsichtigt war.