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Feine Raufereien. Brecht und die Evidenz des Boxens

Published online by Cambridge University Press:  22 February 2024

Markus Wessendorf
Affiliation:
University of Hawaii, Manoa
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Summary

Einleitung: Im Kraftfeld des Boxens

Im Planetarium und im Sportpalast nahm der Mensch diese ruhig betrachtende, wägende und kontrollierende Haltung ein, die unsere Techniker und unsere Wissenschaftler zu ihren Entdeckungen und Erfindungen geführt hat.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Boxsport eine Inspirationsquelle für Brechts künstlerische Arbeiten darstellt. Kleine Prosa, historische Notizen, Bühnenszenen, eine Biografie und ein Romanversuch bilden die Bandbreite der Auseinandersetzung Brechts mit dem Boxen ab. Alle diese Texte wirken allerdings wie Versuche oder nicht vollendete Apokryphen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass diesen Texten in der bisherigen Rezeption wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde; geschweige denn, dass ein umfassender Versuch unternommen worden ist, den Boxsport insgesamt in seiner Bedeutung für die Brechtsche Ästhetik zu erschließen.

In der Rezeption wurde durchaus bereits zum Thema Brecht und Boxen Stellung bezogen. Allerdings wurde das Interesse am Boxen, wie Wolf- Dietrich Junghanns bemerkte, bislang relativ eindimensional erklärt: als “Attitüde des Bürgerschrecks … Neid des Theatermachers auf die Boxarenen, … Bewunderung für die vorbildlich sachkundig kritisch urteilenden Zuschauer … , als Lehrstück für die kapitalistische Ökonomie, … Dramatisierung von Klassenkämpfen, … als ein der Bühne vergleichbarer Ort.” Diese Liste ließe sich noch um Junghanns hinzugefügtes Interesse Brechts für das Lichtspiel des Boxens als ein “Öffentlichkeitsmodell” erweitern. Es bleibt, dass der Boxsport selbst in seiner genuin ästhetischen Dimension, als ein kulturelles Phänomen der 1920er Jahre, welches in die Kerbe einer Krisis der bürgerlichen Kunst schlug, eben als ein in seiner Zeit verstandenes Problem, bisher nicht hinreichend betrachtet wurde.

Beeinflusst durch den Boxsport stellt sich Brecht die Frage, wie das bürgerliche Kunstverständnis, welches durch seine mediatisierte kulturindustrielle Zurichtung in den 1920er Jahren in die Krise gerät, aufgehoben werden kann. Aufhebung meint für Brecht, wie gezeigt werden soll, gerade nicht eine einfache Negation der bürgerlichen Kunst, vielmehr sollen in der Verneinung und Überschreitung derselben die progressiven Momente aufgehoben werden, welche weiterhin bestehen sollen. Beim Theater ist es die intrinsische Möglichkeit zur Bildung von Begriffen, die ein Verständnis für die Strukturen der bürgerlichen Gesellschaft erzeugen können, die Brecht für seinen Aufklärungsanspruch als unabdingbar erachtet. So antiquiert das Theater gegen den begriffslosen und affektgeladenen Sport und vor allem gegen das dumpfe Kino wirkt, so wird es doch gerade aufgrund dieser Bildungsfunktion von Brecht verteidigt.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2023

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