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Wirkung und Reflexionen in Ungarn

Published online by Cambridge University Press:  18 December 2008

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Es tut dem historischen Wert eines epochalen Ereignisses keinen Abbruch, wenn seine Ergebnisse und Lehren nicht sofort in Erscheinung treten, seine gesellschaftliche und ideelle Bedeutung wird aber nur noch mehr erhöht, wenn es, wie die Pariser Kommune, bereits in seinem Zeitalter als Wasserscheide aufgefasst wird.

Type
Echos: II Images Nationales
Copyright
Copyright © Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis 1972

References

page 490 note 1 Ich berufe mich in meinem Aufsatz absichtlich zu Informationszwecken vor allem auf Schriften von ungarischen Verfassern; die in anderer Sprache er-schienenen Studien sind ja den Forschern dieses Themas allgemein bekannt.

page 491 note 1 Sándor, Vilmos, A tökés gazdálkodás kibontakozása Magyarországon (Die Ent-faltung der kapitalistischen Wirtschaft in Ungarn), Kossuth-Verlag, Budapest 1954, S. 27.Google Scholar

page 491 note 2 Quellen zu den Angaben über Industrie und industrielle Bevölkerung sind: Berend, T. Iván und Ránki, György, Közép-Kelet-Európa gazdasági fejlödése a 19–20. században (Die wirtschaftliche Entwicklung Mittel- und Osteuropas im 19. und 20. Jahrhundert), Közgazdasági és Jogi Verlag, Budapest 1969, S. 3243Google Scholar (Kapitel “Aufschwung. Übergang zur modernen kapitalistischen Wirtschaft und die industrielle Revolution. Die demographischen Voraussetzungen der modernen wirtschaftlichen Entwicklung”); Miklós Lackó, Ipari munkásságunk össze-télelének alakulása, 1867–1949 (Gestaltung der Zusammensetzung unserer industriellen Arbeiterschaft, 1867–1949), Kossuth-Verlag 1961, S. 1160.Google Scholar

page 492 note 1 Über die Kleinindustrie: György Ránki, “A kisipar szerepe a magyar kapita-lista fejlödésben” (Rolle der Kleinindustrie in der kapitalistischen Entwicklung Ungarns), in: Történelmi Szemle, Nr 2, S. 423–451. Die Angaben über Pest-Buda-Obuda (Pesth-Ofen-Altofen), d.h. über das heutige Budapest, lieferten die Jahrbücher des 1870 gegründeten Pester Städtischen Statistischen Amtes, vgl. Direktor des Pester Städtischen Statistischen Amtes Jozsef Körösi, A Pest vàrosi evkönyv (Jahrbuch der Stadt Pesth), Jg. I, 1873.

page 493 note 1 Hanàk, Peter, “Skizzen über die ungarische Gesellschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts”, in: Acta Historica, 1963, Nr 1–2;, “Hundred Years of Ausgleich”, in: The New Hungarian Quarterly, 1967, Nr 27.Google Scholar

page 493 note 2 Nemes, Dezsö, Az Altalanos Munkasegylet törtenete 1868–1873 (Geschichte des Allgemeinen Arbeitervereins 1868–1873), Verlag Szikra, Budapest 1952, Kap. IGoogle Scholar; Edit Vincze, “Kampf urn die Schaffung einer sozialistischen Massenpartei in Ungarn”, in: Nouvelles Etudes Historiques, II.

page 493 note 3 Vincze, Edit, “A magyarorszagi es a nemet szocialista munkasmozgalom kapcsolatai a kivételes törvény elsö éveiben” (Beziehungen der ungarischen und deutschen sozialistischen Arbeiterbewegung in den ersten Jahren des Sozialisten-gesetzes), in: Párttörténeti Közlemények, 1971, Nr 1Google Scholar, und Edit Vincze, “A magyarorszagi munkáspart központi kölönye, az Altalános Munkàs Ujsag' alapitàsanak 100. evfordulojara” (Zum 100. Jahrestag der Gründung des Zentralorgans der ungarischen Arbeiterpartei “Allgemeine Arbeiterzeitung”), in: Magyar Könyvszemle, Budapest 1970, S. 193–207.

page 494 note 1 Erényi, Tibor, A magyarorszagi szakszervezeti mozgalom kezdetei, 1867–1904 (Anfänge der ungarländischen Gewerkschaftsbewegung, 1867–1904), Verlag Tancsics, Budapest 1962, S. 2326 und 3542.Google Scholar

page 495 note 1 Magyar Munkasmozgalom Történetének Vàlogatott Dokumentumai (Aus-gewählte Dokumente der Geschichte dear ungarischen Arbeiterbewegung, des weiteren: MMTVD), Verlag Szikra 1951, Band I, S. 179.

page 495 note 2 Für die bisher ausführlichste Bibliographie der zeitgenössischen Presse siehe: László Geréb, A párizsi kommün az egykoru magyar irodalomban (Die Pariser Kommune in der zeitgenössischen ungarischen Literatur), Fövárosi Szabó Ervin Könyvtár, Budapest 1951.

page 496 note 1 Schulhof, Géza dombovari, A munkasmozgalom keletkezése Magyarorszagon (Die Entstehung der Arbeiterbewegung in Ungarn), Verlag Kosmos, Budapest 1895, S. 27.Google Scholar

page 496 note 2 Erényi, Tibor, “A magyarorszagi munkásmozgalom és az elsö Internacionale” (Die ungarische Arbeiterbewegung und die I. Internationale), in: Az I. Internacionale es Magyarorszag (Die I. Internationale und Ungarn), Kossuth-Verlag 1964.Google Scholar

page 497 note 1 Károly Farkas, Hauptbeauftragter der I. Internationale in Ungarn, einer der Hauptangeklagten des Abtrünnigkeitsprozess, später Mitglied der Ungarischen Allgemeinen Arbeiterpartei, berichtet in seinem Brief von 9.5.1871 an den Generalrat der I. Internationale: “Dreitausend Schneider und mit ihnen auch Arbeiter aus anderen Branchen besetzten das Abgeordnetenhaus und forderten die Freilassung der Gefangengenommenen. Die Führer der extremen Linken haben die Regierung wegen den Inhaftierungen scharf angegriffen und sie entlarvten in einer verspäteten Interpellation die gegen Raspe begangenen Schandtaten. [Friedrich Wilhelm Raspe, österreichischer Sozialdemokrat, be-teiligte sich im Januar 1870 in der Orgnisation der Arbeiterbewegung von Pesth, im Februar desselben Jahres wurde er verhaftet. In dieser Angelegenheit und wegen der Auslieferung von Raspe mterpellierten die beiden Abgeordneten Ernö Simonyi von der Unabhängigkeitspartei und der Führer der liberalen Opposition, Daniel Irányi.] Trotzdem ist das Vorgehen der extremen Linken nur eine Heuchelei, weil diese auf der einen Seite ebenso gute Bourgeois sind, wie die Konservativen […] – auf der anderen Seite konnten wir in unseren direkten Kontakten zu ihnen feststellen, dass sie über die Arbeiterbewegung völlig falsche Vorstellungen haben. Diese meine Meinung vermochte ich nur sehr wenigen Leuten beizubringen.” An dieser Stelle schildert Farkas den ganzen Verlauf des bewegten Tages vom 8.5.1871, dann zieht er folgende Konsequenzen: “So stehen heute die Dinge. Durch den Ausstand werden wahrscheinlich keinerlei besondere Erfolge erzielt bis auf die Stärkung des Klassenbewusstseins. Die beiden Hauptvereine [der Allgemeine Arbeiterverein und der Arbeiterbildungs-verein von Pest-Buda] versuchen nun zum drittenmal die Vereinigung, diesmal hoffentlich ernst und mit Erfolg. Die Fachvereine schliessen sich dem Allgemeinen Arbeiterverein an, um eine Massenorganisation zu bilden.” Er schliesst seinen Brief folgendermassen: “Mit einem sozialistischen republikanischen Gruss und Handschlag.” Veröffentlicht in MMTVD, I, S. 172–173, und in Források Budapest multjából (Dokumente aus der Geschichte von Budapest), Archiv der Hauptstadt Budapest 1971, Band I, Nr 144.

page 497 note 2 Steiner, Herbert, “Die Gebrüder Scheu”, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band VI-VII (19661967), S. 489.Google Scholar

page 498 note 1 Von den nacheinander verhafteten 52 Personen wurde gegen 28 Anklage er-hoben. Die Mehrzahl von ihnen ist erst Anfang 1872 auf freien Fuss gesetzt worden. MMTVD, I, S. 180.

page 498 note 2 Die Zitate stammen aus der vielseitig dokumentierten Biographie von Magda Aranyossi, Frankel Leo (Leo Frankel), Verlag Szikra, 1952, S. 6970.Google Scholar

page 498 note 3 Weitere Einzelheiten aus dem Rechenschaftsbericht, sowie aus den bisher noch unveröffentlichten Briefen von Leo Frankel s. Janos Jemnitz und Vincze, Edit, “Uj dokumentumok Frankel Leo munkassagarol” (Neue Dokumente über die Tätigkeit von Leo Frankel), in: Párttörténeti Közleménvek, 1969, Xr 2, S. 121137.Google Scholar

page 498 note 4 S. oben S. 497, Anm. 1. Tibor Erényi, a.a.O., S. 330–331.

page 499 note 1 “A Commune Pesten” (Die Kommune in Pesth), in: Gyors Posta, 20. Juni 1871, und “Szabadsag, mint a nép zàszlaja”, in: Gyors Posta, 25. Juni 1871.

page 502 note 1 Lukács, György, “Bartok Béla” (Bé1a Bartok), in: Nagyvilag, Budapest 1970, Nr9, S. 128.Google Scholar

page 503 note 1 ring, Franz Meh, Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, Dietz Verlag 1919, Band V, S. 2122.Google Scholar

page 503 note 2 die, Über, Gleichschaltung” der Gerichte s. a.a.O., S. 2224.Google Scholar

page 504 note 1 Dioszegi, Istvan, Ausztria-Magyarország es a francia-porosz hàboru (Osterreich-Ungarn und der französisch-preussische Krieg), Verlag der Ungarischen Aka-demie der Wissenschaften, Budapest 1965, S. 239242.Google ScholarAngaben, Alleüber französisch-österreichische diplomatische Beziehungen sind diesem Buch ent-nommen. Der Reihenfolge nach: Jules Favre an Bainville, Paris12.26.Google Scholar Mai 1871, HHStA Wien, Min. des Äussern, Gesandschaftsarchiv Paris, Fasz. 148; Beust an Hoyos, Wien 25. Mai 1871, HHStA Wien, Min. des Äussern, Pol. Ar-chiv IX, Frankreich, Fasz. 97; Abschrift einer Note an den Grafen Andrássy und Grafen Hohenwart, Wien 5. Juni 1871, und Beust an Bainville, Wien 18. Juni 1871, HHStA Wien, Min. des Äussern, Fasz. 148.

page 504 note 2 Zur selben Zeit war auch ein anderer Briefwechsel im Gange. Der Vater von Leo Frankel, ein hochangesehener, mit der k.u.k. GoldmedaiUe dekorierter Wundartzt in Buda bat um die Intervention des Rates von Buda, um Nach-richten über seine in Paris lebenden Sönne erhalten zu können. “Ich ersuche höflichst den hohen Rat, möge er die hohe königliche ungarische Regierung zur Aufklärung dessen veranlassen, ob mein Sohn, Leo Frankel, von Beruf Gold-schmied und schon seit Jahren in Paris wohnhaft, wirklich fusiliert wurde, wie darüber die öffentlich erscheinende Presse berichtete? und ob mein älterer Sohn Ingomar Frankel, Portraitmaler, der auch schon seit drei Jahren in Paris lebt und die Stadt weder während der Belagerung noch zur Zeit des bewaffneten Aufstandes verlassen hat, noch lebt, oder wenn nicht mehr, wie er umgekommen ist.” Zwei Wochen nach dem Beschluss der ungarischen Regierung über die Auslieferung der Flüchtlinge, am 28. Juli, erhielt der Rat von Buda die Zuschrift Nr 1908 des fnnenministeriums, mit der Mitteilung: “Ingomar Frankel, der auf der Pariser k.u.k. österreichisch-ungarischen Botschaft angehört wurde, hat sich dahingehend geäussert, dass er seinen Vater sowohl über sein eigenes wie auch über seines Bruders Schicksal unmittelbar in Kenntnis bringen wird. Über das Verbleiben seines Bruders hat er sich nicht geäussert. Auf Grund dessen und anderer ihr zugekommenen Informationen vermutet die oben-genannte Botschaft, dass Leo Frankel, ehemaliges Mitglied der Commune, sich noch immer in Paris versteckt hält.” Archiv der Hauptstadt Budapest, Archiv von Buda, Aktenstücke des Rates 1884/871. Beide Aktenstücke sind veröffent-licht in Források Budapest multjából, Band I, Nr 145 und 146.

page 505 note 1 Tibor Eréenyi, a.a.O., S. 336.

page 505 note 2 Chabod, Federico, Storia della politica estera italiana dal 1870 al 1896, Band I: Le premesse, Bari 1951, S. 428.Google Scholar

page 505 note 3 Ferenc Pecze, “Die Staatstheorie des Dualismus”, in: Studia luristica, Nr 48.

page 506 note 1 Monor, Ede Wertheimer von, Gr. Andrássy Gyula élete és kora (Leben und Zeit von Graf Gyula Andréssy), Verlag der Ung. Akademie der Wissenschaften, Budapest 1913, Band II, S. 94.Google Scholar

page 506 note 2 Vgl. den Text des Schreibens: Dok. Il im Anhang zum Artikel von Carole Witzig, oben S. 219ff.

page 506 note 3 “Der Ministerrat hat festgestellt, dass die Auslieferung von politischen Ver-brefchern” von den internationalen Vertragen untersagt wird. Der Ministerrat ist aber bestrebt, sich über diese Verbote hmwegzusetzen, “da es nicht zu leugnen ist, dass die Anhänger der Pariser Kommune solche Ruchlosigkeiten verübten, die unter dem Mantel von politischen Parteibestrebungen gar nicht gedeckt werden können.” Langenau an Andrassy, März 1872, und Andrássy an Lange-nau, 11. April 1872. MMTVD, I, S. 245; Monor, Ede Wertheimer von, “Zur Ge-schichte der ‘Internationale’”, in: Pester Llovd, 26. 08 1908.Google Scholar

page 506 note 4 MMTVD. I, S. 246–249.

page 507 note 1 Ges. Gaus an den Reichsminister, Berlin 20. Juli 1920, Auswärtiges Amt, Politisches Archiv, Bonn, Politische Abteilung, Bela Kun Film Nr K 284508–10.

page 507 note 2 MMTVD, I, S. 191–192.

page 508 note 1 éSarlos, Bela, Csemegi Karoly és a kiegyezés” (Karoly Csemegi und der Aus-gleich), in: Történelmi Szemle, 1968, Nr 12.Google Scholar

page 508 note 2 Der ungarische Ministerrat, der sich zweimal mit den verschiedenen gegen die Führer der Arbeiterbewegung eingeleiteten Prozessen beschäftigte, stellte unter anderem fest, dass diese Arbeiterführer direkte Kontakte zu den verschiedenen Zentren der damaligen europäischen Arbeiterbewegung hatten, z.B. zu Be-auftragten der Internationale in London und in Genf. Der Justizminister hat dahingehende Bedenken geäussert, ob eine Anklage damit ausreichend be-gründet sei, dass die ungarischen Arbeiterführer Aufträge von der Internationale erhalten haben, wobei der Beweis der Ausführung dieser Auftrage nicht zu bewerkstelligen war. Ein Prozess wurde schon deshalb in Frage gestellt, weil die in Wien verurteilten Arbeiterfiihrer vom Kaiser begnadigt wurden. Der Minister-präsident des ungarischen Kabinetts teilte diese Bedenken seines Justizministers nicht. Die Mehrheit des Kabinetts schloss sich der Meinung der Ministerpräsi-denten an. Diese Stellungnahme der Regierung determinierte den eingeleiteten Prozess insofern als der Angeklagte Politzer zu sechs Monaten Gefängnis verur-teilt wurde. Die Mehrheit der Angeklagten kam nur deshalb unbestraft davon, weil die von der Anklagebehörde zusammengetragenen Beweise zur Verurteilung nicht ausreichten. Wortlaut des Protokolls s. MMTVD, I, S. 200–204 und 228–234.

page 509 note 1 Über den Lebenslauf von Lörinc Tóth und Károly Csemegi siehe die roman-hafte Biographie der führenden Gestalt des J ustizwesens des Freiheitskampfes 1848–49, Sebo Vukovics, geschrieben von Béla Sarlós, Deák és Vukovics. Két igazságugyminiszter (Zwei J ustizminister, Deák und Vukovics), Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften 1970, Nachwort, S. 102–104. Rév, Ausser-dem: Erika, A népbiztosok pere (Der Prozess der Volkskommissare), Kossuth-Verlag 1969, S. 1420.Google Scholar

page 509 note 2 Zum Beweis der obigen Feststellung dienen die vorhergegangenen Ereignisse des Presseprozesses gegen Leo Frankel und auch das Urteil. Weil es nach den schon bekannten französischen Beschlüssen nicht mehr möglich war, Leo Frankel abzuurteilen und ihn auf diesem Wege aus der Bewegung radikal zu entfernen, kamen die verschiedenen Schikanen gegen ihn auf die Tagesordnung. 1876 wurde er in der Erwartung eines französischen Auslieferungsantrags inhaftiert und erst nach dreieinhalb Monaten und gegen eine Kaution von 5000 Kronen wieder auf freien Fuss gesetzt. Zu einer Aburteilung wegen seiner Tätigkeit in Ungarn gab es keine ausreichenden Gründe, und – wie bekannt – hat die französische Regierung seine Auslieferung nicht beantragt. (Den nach der Untersuchungshaft geschriebenen Brief von Frankel publizierte János Jemnitz.) Deshalb versuchte die Polizei die Ausdehnung der polizeilichen Pressezensur auf die von Frankel zu erwartenden Artikel. Frankel, der diese behördlichen Versuche durchschaute, informierte am 20. Januar 1878 schon zum zweitenmal die Budapester Polizeihauptmannschaft über den Inhalt seiner Rede, die er am selben Tag auf einer Grosskundgebung hielt.

„Abgesehen davon, dass wir keine Zensur in Ungarn besitzen, die mich verpflichten würde, die Gegenstände, die ich mündlich oder schriftlich zu behandeln wünsche, erst der betreffenden Behörde zu unterbreiten, abgesehen davon, dass bei alien öffentlichen Versammlungen behördliche Vertreter anwesend sind, die darauf zu achten haben, ob der eine oder andere Redner von der Tagesordnung abweicht oder in einer gegen die Landesgesetze verstossenden Weise auftritt, und in diesem Fall von der kompetenten Behörde zur Rechenschaft zu ziehen sind und eventuellen Falles nach unseren Gesetzen auch bestraft werden können, abgesehen davon ist es mir unmöglich, den Vortrag, den ich heute nachmittag zu halten gesonnen bin, schriftlich mitzuteilen, da ich zu meinen Vorträgen kein Konzept zu machen pflege, sondern nur einzelne Notizen. Das Thema, das ich behandeln will, ist meines Erachtens klar genug ausgesprochen in der der Oberstadthauptmannschaft vorgelegten Anzeige. Ich will dessenungeachtet, um alle diese Missdeutungen zu beheben, hiermit darlegen, dass ich unter Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre verstehe, dass alle Wissenschaften, ob sie nun den einen oder anderen in seiner Vorstellung, seinem Glauben, seinen bisherigen Ansichten storen, in keine Schranken beengt werden dürfen, ihre Lehre frei sein muss, weil sonst der Trieb wissenschaftlicher Erkenntnis selbst erstickt wird. Ohne die Freiheit der wissenschaftlichen Erkenntnis, die gerade eine Errungenschaft der modernen Zeit ist, gibt es kein geistiges Leben, sondern nur Stagnation, Versumpfung. Ohne Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre gäbe es nur Aberglaube, Vorurteil, geistige Nacht. […] Wie stünde es mit der Geologie, wenn sie sich in ihren Forschungen über das Alter der Erde an die biblischen Aussprüche zu halten hätte, wie mit der Medizin […], wenn sie alle Krankheiten, alle Seuchen als ,Gottesstrafen' betrachten müsste, die nur durch Gebete zu beseitigen seien. […] Wenn es auch schon verboten ist, sozialistische Agitationen zu betreiben, wie dies in der letzten Verordnung des k. Ministeriums des Innern lautet, so ist es gegenwärtig wenigstens noch nicht verboten, die wissenschaftliche Erkenntnis im Volke zu fördern, und ich hoffe demnach mit Zuversicht, dass die […] angekündigte Versammlung von der Oberstadthauptmannschaft zur g. Kenntnis genommen werden wird.” Archiv der Hauptstadt Budapest, Archiv der Oberstadthauptmannschaft, veröffentlicht in Források Budapest multjából, Band II, Nr 94.

page 511 note 1 Béla Sarlos, A sajtoszabadság és eljárasi biztositekainak fö vonàsai (Hauptzü-ge der Pressefreiheit und ihrer verfahrensmässigeii Garantien) [Jogtörteneti Tanulmanyok (Rechtsgeschichtliche Studien), III], Közgazdasàgi es Jogi Kiado, Budapest 1968.

page 511 note 2 Noch im Laufe desselben Jahres 1878 ist in der von Leo Frankel redigier-ten deutschsprachigen Arbeiterzeitung Arbeiter Wochen Chronik ein Wiener Flugblatt veröiffentlicht worden, welches in der dortigen Presse schon fruher veröffentlicht worden war. Dasselbe Flugblatt ist in ungarischer Übersetzung auch im fortschrittlich-bürgerlichen Blatt Függetlenséeg (Unabhängigkeit) ge-bracht worden. Während aber gegen letzteres Blatt kein Verfahren eingeleitet wurde, ist Leo Frankel unter der Anklage von Presseaufwiegelung sofort unter Anklage gestellt worden. Er wurde in erster Instanz für schuldig erklärt und zu zwei Jahren Kerkerstrafe verurteilt. Erst nach langem Hin und Her, in Dezem-ber 1880 geriet die Berufung vor das schwurgerichtliche Pressegericht, welches die staatsanwaltliche Beweisfuhrung für ungenügend erklärte und eine Nichtig-keitsbeschwerde anmeldete. Das höchste gerichtliche Forum, die Kurie, hin-gegen erklärte Leo Frankel unter Berufung auf die bereits erwähnte Pressever-ordnung vom Jahre 1867 und auf deren 171., 172. und 173. Paragraphen für schuldig, ohne ein neues Beweisverfahren angeordnet zu haben. Die Kurie erklärte das Ersuchen des Verteidigers, die beiden Zeitungsartikel miteinander zu identifizieren, für unberechtigt, billigte aber das Vorgehen des erstinstanzlichen Gerichts, dem Angeklagten die Einreichung einer Gesetzmässigkeitsbeschwerde verweigert zu haben, indem es den Auftritt des Angeklagten im voraus als “nihilistische Provokation” bezeichnet hatte. Der Kurialbescheid sagt zum Schluss aus: der Umstand, dass “der Angeklagte nicht der Verfasser der Mit-teilung ist, ändert nichts am Wesen der Sache, da nach dem - übrigens auch vom Strafgesetz beibehaltenen – 33. Paragraphen des Pressegesetzes nicht nur der Verfasser, sondern auch der Redakteur Verantwortung schuldet, und die Verantwortung sich auch auf jene Artikel erstreckt, die von anderen Blättern übernommen worden sind.” Der Richter, der sich zu diesem Bescheid hingab, hiess Lörinc Tóth, ein Mann, der wegen seiner revolutionären Tätigkeit in den Jahren 1848–49 zurückgesetzt, später aber nach dem Ausgleich “in Anerken-nung seiner richterlichen Verdienste” auf leitenden Posten versetzt worden war. Er sandte die Sache ans erstinstanzliche Gericht zurück, indem er dessen ur-sprüngliches Verfahren als regelmässig bezeichnete. Daraufhin wurde Leo Frankel zu zwei Jahren Kerkerstrafe verurteilt.