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Zusammenfassungen

Published online by Cambridge University Press:  01 December 2009

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Zusammenfassungen
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Copyright © Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis 2009

Alessandro Stanziani. Arbeiterinstitutionen in einer globalen Perspektive vom siebzehnten bis zum zwanzigsten Jahrhundert.

Vergleichende Analysen von Arbeit gehen häufig von einer universell anwendbaren Trennlinie zwischen freier Arbeit und Zwangsarbeit aus. Den Beiträgen zu diesem speziellen Thema zufolge lassen sich die Spannungen zwischen “Freiheit” und “Unfreiheit” präziser als Spannungen zwischen unterschiedlichen Begriffen und Praktiken in Bezug auf Vertrag, Status und soziale Bedingungen fassen. Freie und unfreie Arbeit auf der einen, Status und Vertrag auf der anderen Seite sind historisch determinierte Kategorien. In dieser Einleitung wird argumentiert, dass diese Geschichten nicht parallel verlaufen, sondern sich grundsätzlich schneiden. Unter diesem Blickwinkel sind soziale und ökonomische Ungleichheiten beidseitig mit Rechtsansprüchen verknüpft; eine Veränderung von Rechtsansprüchen hat einen großen Einfluss auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichgewicht und umgekehrt. Dieser Schlussfolgerung liegt ein entschieden nicht-eurozentristischer, globaler Blickwinkel zugrunde. Wir suchen weder, die “fehlende” Vertragsfreiheit in der “Peripherie” zu finden, noch nehmen wir die “kulturelle” und wirtschaftliche Dominanz des “Westens” zum Ausgangspunkt. Statt dessen betonen wir die beidseitige Verbindung von Kategorien und Praktiken der “Peripherien” und des “Kernlands”. Eine solche bilaterale Verbreitung von Ideen und Praktiken steht im Gegensatz zu der Meinung, “die Freiheit” sei ebenso wie der Zwang eine Erfindung “des Westens”.

Alessandro Stanziani. Der rechtliche Status der Arbeit vom siebzehnten bis zum neunzehnten Jahrhundert: Russland in einer vergleichenden europäischen Perspektive.

Mindestens seit dem achtzehnten Jahrhundert wird der freien Arbeit im “Westen” die Arbeit der Leibeigenen in Russland und “Osteuropa” vergleichend gegenübergestellt. In dieser Abhandlung soll diese Sicht in Frage gestellt und gezeigt werden, dass Leibeigenschaft in Russland nie offiziell institutionalisiert wurde und die Verordnungen, auf die man sich zur Rechtfertigung dieser Auffassung gewöhnlich beruft, tatsächlich nicht die “Bindung” der Bauernschaft, sondern die Kennzeichnung adliger Grundbesitzer im Unterschied zu Adligen im Staatsdienst sowie zur “Bourgeoisie” bezwecken sollten. Es ist jedoch nicht nur eine Frage rechtlicher Definitionen. In dieser Abhandlung wird untersucht, wie die Gerichtshöfe von der zaristischen Regierung, den Adligen und den Bauern selbst zur Anfechtung von Besitzrechten und, auf dieser Grundlage, der Verpflichtungen und des rechtlichen Status von Bauern und Arbeitern genutzt wurden. Schon vor der offiziellen Abschaffung der Leibeigenschaft 1861 waren große Veränderungen ihres rechtlichen Status eingetreten, mit ähnlichen Ergebnissen wie die kurz zuvor in der “zweiten Leibeigenschaft” in Preußen, Litauen und Polen erzielten. Dies wiederum bedeutet, dass solche Arbeitsverträge und -institutionen keinen Gegensatz zu “freien” Arbeitsverhältnissen und -institutionen bildeten, die die Arbeiter viel stärkeren Zwängen unterwarfen, als gemeinhin eingeräumt wird. Als Beleg für diesen Punkt vergleichen wir zaristische Regelungen mit den Master and Servant Acts und Verträgen in Großbritannien und seinem Empire und mit französischen Vorschriften zu Arbeits- und Dienstbotenverhältnissen und Tagelöhnern.

Henrique Espada Lima. Freiheit, Prekarität und das Gesetz: Befreite Personen, die ihren Arbeitsvertrag im Brasilien des neunzehnten Jahrhunderts aushandeln.

In diesem Essay wird die Beziehung zwischen brasilianischen Arbeitsgesetzen und den Arbeitsverhältnissen, auf die sich ehemalige Sklaven (libertos – befreite Personen) im Brasilien des neunzehnten Jahrhunderts einließen, erörtert. Der Autor diskutiert zunächst die Bedeutung der Definition von “Vertrag” für die Einbeziehung sowohl brasilianischer Staatsangehöriger und Gastarbeiter als auch ehemaliger Sklaven in das Arbeitsrecht. Auf Grundlage einer Analyse ausgewählter, in Archiven von Notaren der südbrasilianischen Stadt Desterro (heute Florianópolis) verzeichneter Arbeitsverträge, die befreite Personen zwischen den 1840er Jahren und 1887 eingingen, behandelt der Autor auch die einander entgegengesetzten Bedeutungen von “freier Arbeit” für befreite Personen und ihre Arbeitgeber. Des Weiteren soll gezeigt werden, dass das zentrale Anliegen der Strategien befreiter Personen und der diesen Verträgen zugrundeliegenden Verhandlungen der Umgang mit Prekarität war. Schließlich strebt der Autor ein Verständnis der möglichen Gründe für das Verschwinden der Verträge aus den notariellen Registern nach dem Ende der Sklaverei an.

Adrian Randall. Captain Swing: eine Retrospektive.

Die 1969 veröffentliche Publikation von Captain Swing von Eric Hobsbawm und George Rudé, ist – zusammen mit der Publikation von Edward Thompsons The Making of the English Working Class 1963 – einer der Höhepunkte der neuen britischen Sozialgeschichte der 1960er und 1970er Jahre. Zum vierzigsten Jahrestag der Publikation von Captain Swing soll diese Einführung des speziellen Themas auf den großen und anhaltenden Einfluss dieses Buches zurückblicken. Zur Einführung in dieses spezielle Thema prüft der Autor die Gründe des fortwährenden Einflusses, indem er den politischen und historiographischen Kontext der Zeit analysiert und durch eine Bestandsaufnahme, wie ein Reihe von Historikern – einschließlich der Retrospektive der folgenden Autoren – versucht haben, die Argumente für dieses Buch zu erweitern oder in Frage zu stellen.

Peter Jones. Captain Swing entdecken: Protest, Gemeindebeziehungen und das Stadium der öffentlichen Meinung 1830.

Von den 1950ern bis in die 1970er Jahre war die Erforschung des englischen Volksprotestes durch das Werk von Eric Hobsbawm, George Rudé, und Edward Thompson dominiert, und es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass ihr gemeinsamer Ansatz zum Standard wurde, an dem sich alle nachfolgenden Arbeiten messen lassen mussten. Er war bahnbrechend, wegweisend und entscheidend für die Entstehung einer neuen “Geschichte von unten”. Aber er war, bis zu einem gewissen Grad, auch formelhaft: Er beruhte auf einem bewährten Rahmen, von dem Historiker sich seitdem abzuweichen bemühen. Durch die detaillierte Untersuchung einer Reihe von Unruhen im englischen Berkshire während der sogenannten “Swing Riots” (Swing-Aufstände), versucht der Autor zu demonstrieren, dass sich das anhaltende Festhalten an diesem Modell als Hindernis für ein nuancierteres Verständnis bestimmter “Momente” des Protests vor Ort bezeichnen lässt, und legt dabei eine viel stärkere Betonung auf lokale gesellschaftliche – und insbesondere kirchengemeindliche – Beziehungen als bisher. Kurz gesagt, im Kontext des spät-hannoverschen Volksprotests ist dieser Essay ein Plädoyer für eine neue “Geschichte von innen”, als Ergänzung der (jetzt ehrwürdigen) Tradition der “Geschichte von unten”.

Carl J. Griffin. Swing, Swing-Wiederauferstehung oder etwas anderen nach Swing? Über den Todeskampf einer Protestbewegung, Dezember 1830–Dezember 1833.

Hobsbawm und Rudés Captain Swing von 1969 ist immer noch die einzige überregionale Darstellung der sogenannten “Swing Riots”, die sich im größten Teil des ländlichen südlichen, zentralen und östlichen Englands im Herbst und Winter von 1830 ausbreiteten. Seitdem wurden zwar viele revisionistische Werke veröffentlicht, doch ist die von Hobsbawm und Rudé vorgebrachte Behauptung, die brutale rechtliche Unterdrückung des Swings habe die Proteste wirksam beendet, bis heute im Wesentlichen unangefochten. In dieser Abhandlung wird, auf Grundlage einer erneuten archivarischen Überprüfung des Umschwungs in Protest zwischen den ersten Vorläufen 1830 und dem Dezember 1833, festgestellt, dass die entstandene Auffassung, der Swing sei gebrochen worden, zu stark vereinfacht ist. An einigen Schauplätzen behielt der Swing seine Durchschlagskraft, an anderen lebte er wieder auf. Der Swing wandelte sich auch in verschiedene Formen um, sowohl reale als auch phantasmagorische. Aber die Intensität der Proteste ging tatsächlich zurück. Im Herbst 1833 waren die Proteste weniger häufig und räumlich bruchstückhaft und isoliert, statt eine zusammenhängende Protestkampagne zu bilden.