„Ein Beispiel habe ich euch gegeben…“ (Joh 13,15): Die Diakonie Jesu und die Diakonie der Christen in der johanneischen Fußwaschungserzählung als Konterkarierung römischer Alltagskultur
Published online by Cambridge University Press: 16 February 2021
Summary
Einleitung
Das sozial-kulturelle System der romischen Herrschaft, die Definition und die Durchsetzung des romischen Machtanspruches haben erheblichen, oft unterschätzten Einfluss auf jüdische und christliche Minderheiten, ihr Leben und ihre sich weiter entwickelnde Selbstverständigung. An dieser mehrschichtigen Auseinandersetzung und Abgrenzung hat auch das Johannesevangelium erkennbaren Anteil. Dem widerspricht nicht die Wahrnehmung, dass das Johannesevangelium sich zunächst und primar an die eigenen Gemeindeglieder richtet und ihren Glauben stärken will. Gerade zur Verwirklichung dieser Absicht gilt es, die Begründung, innere Plausibilität und Kraft des christlichen Bekenntnisses so vorzutragen, dass die johanneischen Christen in ihrer vorfindlichen und vertrauten kulturellen Umwelt einerseits und der Pax Romana andererseits die ihrem Bekenntnis eigene sozio-kulturelle Identität finden und konstruktiv verteidigen können. Allein schon ausweislich des Prologes eignet dem Johannesevangelium ein kosmologisch-schöpfungstheologischer Anspruch. Anthropologie, Metaphorik und Ethik des vierten Evangeliums denken universell und bieten vielfältige Anknüpfungs- und Vermittlungsangebote für unterschiedliche philosophische, kulturelle und religiöse Konzepte. Der Evangelist Johannes vertritt eine universelle Soteriologie und eine klare christologisch verankerte missionarische Strategie.
Das vierte Evangelium wird in der Regel nicht mit dem Stichwort Diakonie in Verbindung gebracht – der Wortstamm διακονέω begegnet nur in 12,26 (zweimal διακονέω; einmal διάκονος). Der nachfolgende Beitrag zeigt am Beispiel der johanneischen Deutung der Fußwaschung Jesu dennoch, dass und wie diakonische Praxis der Christen – orientiert am „Beispiel“ Jesu (13,15) – die soziale Praxis der dominanten römischen Alltagskultur intelligent konterkariert. Dazu wird das Ritual der Fußwaschung in neue Sinnzusammenhänge gestellt (Refraiming), mit neuen Deutungsebenen ausgestattet und so zu einem erschließenden Ritual der christlichen Glaubenspraxis aufgewertet.
Der Ort des letzten Mahles Jesu in der erzählerischen Komposition und theologischen Intention des Johannesevangeliums
Das Johannesevangelium ist – hier ist nur eine erste Annäherung möglich – in zwei Hauptteile aufgeteilt. Der erste Hauptteil geht um Jesu Offenbarungswirken in Wort und Tat (Joh 1,19–11,57) – hier spielen die sieben „Zeichen“ eine herausragende Rolle. Er schließt mit der Verurteilung Jesu durch den Hohen Rat aufgrund der „Zeichen” und des durch diese Zeichen ausgelösten Glaubens (11,47–52[53–57]). Der zweite Hauptteil umfasst Jesu Abschied, sein Tod, die Ostererfahrungen und die Sendung der Jünger (13,1–21,25). Eröffnet wird das Johannesevangelium von dem sprachlich und theologisch hochkarätigen Prolog (1,1–18), der den theologischen Anspruch und die Reichweite des Evangelisten ins Wort hebt, die Kernbotschaft des Evangeliums verdichtet vorstellt und gleichzeitig eine geschickte Leserführung intoniert.
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- People under PowerEarly Jewish and Christian Responses to the Roman Empire, pp. 159 - 184Publisher: Amsterdam University PressPrint publication year: 2015