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“Man muss versuchen, sich einzurichten in Deutschland!”: Zur Bedeutung der Möbel in Trommeln in der Nacht und Die Hochzeit

Published online by Cambridge University Press:  22 February 2024

Markus Wessendorf
Affiliation:
University of Hawaii, Manoa
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Summary

“Man muss versuchen, sich einzurichten in Deutschland!” Mit diesem Satz beschließt Brecht in einem Tagebucheintrag vom 27. Juli 1920 eine Reihe von wirtschaftlichen Überlegungen über das Theater—etwa, dass man in Aufführungen die neueste Mode bewerben oder Dramen mit Werbeanzeigen auf Zeitungspapier drucken könnte. Der abschließende Ausruf bekräftigt Brechts Bereitschaft, sich den Anforderungen seiner Zeit in einem gewissen Maß zu beugen; in der vorgebrachten Verpflichtung deutet sich jedoch auch sein Unmut gegenüber den eigenen Vorschlägen an. Ferner fällt auf, dass Brecht sein Verhältnis zum Theater als einen Akt des Sich-Einrichtens beschreibt, wie er sonst eher im Bereich des Wohnens zu vermuten wäre. Als Bedingung des Wohnens spielt die Einrichtung in seinen dramatischen Arbeiten aus dieser Zeit, Trommeln in der Nacht und Die Hochzeit, indessen eine tragende Rolle. Sich einzurichten wird, wie schon in seinem Tagebucheintrag, auch in diesen Stücken zur Herausforderung.

Der Schauplatz der Einrichtung findet sich in seinem Tagebuch allerdings nicht auf das Theater oder die eigenen vier Wände beschränkt, sondern soll, ganz im Gegenteil, ganz Deutschland umfassen. In dieser Ausweitung kommt dem Einrichten eine weitreichende Bedeutung zu, die sich auf das Verhältnis zwischen dem schreibenden Ich und seiner Umgebung bezieht—wohl auch in einem politischen Sinn. Sich einzurichten, bedeutet dabei nämlich gleich zweierlei: als reflexives Verb zielt es sowohl auf die Anpassung des Ich an seine Umgebung als auch auf die vorzunehmende Anpassung der Umgebung an die Bedürfnisse des Ich. In beiden Fällen schwingt nicht zuletzt die Annahme mit, dass es sich dabei um ein Verhältnis von längerer Dauer handelt, in Hinblick auf welches diese Einrichtung als Anpassung vorgenommen wird. Friedrich Nietzsche, den der junge Brecht bekanntlich stark rezipiert hat, hält in Menschliches, Allzumenschliches eine Beobachtung fest, die die Tragweite dieses Anspruchs verdeutlicht: “[D]er einzelne Mensch selber durchläuft jetzt zu viele innere und äußere Entwicklungen, als dass er sich dauerhaft und für allemal einzurichten wagt. Ein ganz moderner Mensch, der sich zum Beispiel ein Haus bauen will, hat dabei das Gefühl, als ob er bei lebendigem Leibe sich in ein Mausoleum vermauern solle.” Das von Nietzsche beschriebene Gefühl schlägt sich in Brechts Ausspruch insofern nieder, als dieser ihm die Verpflichtung des Vorsatzes entgegenbringen muss.

Jürgen Hillesheim macht in diesem Satz gar Brechts “Lebensmotto” aus, muss ihn zu diesem Zweck jedoch aus dem unmittelbaren Zusammenhang von Brechts Überlegungen zum Theater lösen.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2023

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