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14 - Religion nach der Aufklärung: Die heilige Cäcilie — Identität, Religion und Moderne

Published online by Cambridge University Press:  14 February 2023

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Summary

Der Titel Von Kleists Erzählung “Die Heilige Cäcilie” und der Untertitel “Die Gewalt der Musik” scheinen zunächst in einem ironisch-ambiguösen Verhältnis zu stehen, das Kleists Stil kennzeichnet. Die Musik als Metonymie für die Kunst lässt sich nicht ohne weiteres mit dem Heiligen oder der Religion in Einklang bringen. Somit erwarten die Leserinnen und Leser von Kleists Erzählung die Lösung eines Rätsels, dem die Erzählung sich nähert und deren Reduktion auf ein eindeutiges Signifikat sie zugleich verweigert. Dieses Paradox führt ins Herz der Kunst in der Moderne: Hat die moderne Kunst den Anspruch der Religion auf absolute Sinnstiftung ersetzt, oder, anders ausgedrückt, worin liegt die Analogie bzw. Differenz zwischen Kunst und Religion?

Die Erzählung suggeriert, dass die Ähnlichkeit zwischen Religion und Kunst in der Gewalt liegt, mit der sie die Menschen affiziert, d.h. die Fähigkeit, “ihr innerstes Gemüt […] umzukehren,” wie es von den Bilderstürmern im dreißigjährigen Krieg heißt. Diese säkularisierte Gewalt ist jedoch genauso unerklärlich wie die sakrale, da sie die Menschen dazu zwingt, etwas gegen ihren Willen zu tun, oder was sie für ihren Willen halten, denn gegen diese Macht sind sie hilflos. Der Wille wäre das Bewusstsein, während sich die Affekte als das Stärkere erweisen.

Aus diesem Grund nannten Deleuze und Guattari Kleist einen Passionellen statt einen Intellektuellen, doch sollte man daraus nicht schließen, dass er sich allein auf seine Intuition verließ. Deleuze und Guattari meinen mit dem Passionellem die Söge und Strudel, die die Texte Kleists markieren, und tatsächlich wird man als Leser derart in sie hineingezogen, dass sich die Verstandeskategorien zu verwirren drohen. Somit übt Kleists Erzählkunst die Gewalt auf die Leser aus, von der der Untertitel spricht. Kleist gelingt dieser Effekt jedoch durch eine ausgefeilte, raffinierte Syntax, die die Leser durch immer wieder neue Nebensätze und Appositionen überrascht.

Die Gewalt der Musik oder der Kunst gibt eine Reihe von Rätseln auf, die jedoch in ihrer Rätselhaftigkeit belassen werden sollten. Die Interpretation ist ja immer auch ein Versuch, die Widersprüche und Ambivalenzen des Textes auf einen kohärenten Sinn zu reduzieren. Dadurch verneint die Erzählung die Identität zwischen Signifikanten und Signifikat, und setzt an deren Stelle die Differenz.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2011

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