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Die politische Spaltung der westdeutschen Arbeiterschaft

Published online by Cambridge University Press:  28 July 2009

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Es ist unnötig, das Wahlverhalten von Arbeitern, die sozialdemokratisch wäahlen, ausführlich zu erklaren. Ihre Parteinahme erscheint uns «normal», da wir im allgemeinen davon ausgehen können, daß die politischen Fronten in der Wählerschaft die soziale Schichtung widerspiegeln. Wie aber erklärt sich, daß die SPD in der Bundesrepublik nur 60 Prozent der Arbeiterstimmen erhält, daß ein Drittel aller Arbeiter mit großer Konstanz ihre Stimme der CDU geben?

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Archives Européenes de Sociology 1969

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References

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(3) Lipset, S. M., Political Man (New York 1959), S. 240243.Google Scholar

(4) Nordlinger hat neuerdings Daten aus England vorgelegt, nach denen auch unter städtischen Arbeitern in England diese Inversion der Korrelation zwischen ökonomischer Lage und Wahlverhalten zu beobachten ist. Jedoch basiert seine Studie auf einem Vergleich von Kontrastgruppen und kann daher nicht repräsentativ sein. Siehe Eric Nordlinger, A., The Working Class Tories (Berkeley und Los Angeles, U. of Cal. Press, 1967), S. 169 ff.Google Scholar McKenzie und Silver stellen bei einer Auswertung ähnlicher Daten unter Erhaltung der Repräsentativität (für städtische Arbeiter in England) keine globale Korrelation zwischen Einkommen und Wahlverhalten fest. Erst die Aufteilung nach Altersgruppen ergibt: bei jüngeren Arbeitern sinkt der Anteil der Labour-Wähler mit steigendem Einkommen, bei älteren Arbeitern aber ist er unter den gering verdienenden größer. Diese Inversion bei der älteren Generation führen die Autoren auf obrigkeitstreue Grundeinstellungen (deference) zurück, die bei älteren Arbeitern mit geringem Einkommen besonders häufig sind. Sie kommen zu dem Schluß, daß zwischen Einkommen und Wahlverhalmischerten bei englischen Arbeitern keine direkte Beziehung besteht. Siehe McKenzie, Robert, Silver, Allan, Angels in Marble, Working Class Conservatives in Urban England (London, Heinemann, 1968), S. 8297, 223225.Google Scholar

(5) 61 Prozent der Facharbeiter, aber nur 52 Prozent der angelernten und ungelernten gaben an, bei der Bundestagswahl 1961 in Nordrhein-Westfalen für die SPD gestimmt zu haben. Siehe Blankenburg, Erhard, Kirchliche Bindung und Wahlverhalten (Olten und Freiburg 1967), S. 74.Google Scholar (Prozentberechnung hier ohne diejenigen, die keine Angaben machen). Siehe S. 69–85 für eine Entwicklung der im folgenden aufgestellten Hypothesen.

(6) Ibid. S. 38 und S. 91.

(7) Ibid. S. 39 und S. 43. Obwohl diese Zahlen aus Umfragen stammen, die auf Nordrhein-Westfalen beschränkt waren, lassen sie sich innerhalb der einzelnen sozialen Gruppen durchaus für das ganze Bundesgebiet verallgemeinern. Die Unterschiede sind in erster Linie auf die (geringfügig andersartige berufliche Zusammensetzung der Bevölkerung zurückzuführen. Für einen sehr übersichtlichen Vergleich siehe: Liepelt, Klaus, Mitscherlich, Alexander, Thesen zur Wählerfluktuation (Frankfurt 1968), S. 7274 und S. 79.Google Scholar

(8) Blankenburg, , a. a. O. S. 48, S. 32, S. 7885.Google Scholar

(9) Ibid. S. 82–84.

(10) Die Befragung, von der wir hier berichten, wurde im Sommer und Herbst 1966 im Rahmen eines Forschungspraktikums des Instituts für Soziologie an der Universität Freiburg durchgeführt. Der Mitarbeit und den Anregungen meiner Studenten verdanke ich das Gelingen. Ein Satz der Lochkarten wurde im Zentralarchiv für empirische Sozialforschung in Köln hinterlegt.

(11) In den evangelischen Orten Bötzingen und Opfingen und den katholischen Bollschweil, Hartheim und Wasenweiler wurden jeweils Listen aller verheirateten Arbeiter über 21 Jahren aufgestellt, aus denen mit einer Zufallszahlentafel Adressen gezogenwurden.Bei diesem Verfahren erwarteten wir eine Quote von 40 Prozent Evangelischen und 60 Prozent Katholiken, so wie es annähernd der Konfessionsverteilung in der Stadt Freiburg entspricht.

In der Stadt Freiburg wurden zunächst durch eine Flächenstichprobe eine Anzahl von Straßen festgelegt, in denen dann durch Haus-zu-Haus-Befragung die Adressen aller verheirateten Arbeiter über 21 Jahren ermittelt wurden. Hieraus wurden wiederum die Adressen für die Interviewer gezogen.

Die Ausfallquote (Verweigerung plus anderweitig Verhinderte) betrug auf dem Land 50 Prozent, in der Stadt 24 Prozent. Sie konnte angesichts der Schwierigkeiten, sowohl Ehemann als auch Ehefrau (dazu noch zur gleichen Zeit!) zu interviewen, nicht reduziert werden. Alle Verweigerer wurden mindestens 3 Mal besucht. Die Ausfälle wurden durch erneute Ziehung aus der Adressenliste ersetzt. Ein befragtes Ehepaar mußte wegen eines Karteifehlers nachträglich von der Auswertung ausgeschlossen werden, so daß für diese 119 Ehepaare im Landkreis und 100 Ehepaare in der Stadt Freiburg blieben.

(12) Besonders hohe Prozentsätze von Antwort-Verweigerungen bei unseren Fragen zum Wahlverhalten können wir in der Regel mit der Dissonanz-Theorie plausibel erklären. Ein Test dieser Erklärung war im Rahmen dieser Umfrage leider nicht möglich. Untersuchungen hierüber könnten sehr lohnend werden. S. auch Brüning, Iris Levekrus, Die Meinungslosen (Berlin 1966) S. 156 ff.Google Scholar

(13) Als »regelmäßig« gilt hier entsprechend den unterschiedlichen Verhaltensan forderungen der Kirchen mindest wöchentlicher Kirchgang bei den Katholiken, Kirchenbesuch mindestens einmal im Monat bei den Evangelischen.

(14) Eine Trennung der Korrelation nach überwiegender Konfession am Wohnort läßt sich hier wegen der kleinen n's nicht mehr durchführen.

(15) Ein »Index der Informiertheit« wurde gebildet aus den Antworten auf die Fragen: »Können Sie mir die Namen einiger unserer Politiker von heute nennen?« »Was meinen Sie, welche Parteien zur Zeit im Bundestag vertreten sind?« und »Welche Parteien bilden die Regierung?«

(16) Als Indikator für eine »Grundeinstellung des politischen Traditionalismus« wurde eine Skala aus 4 Behauptungen aufgestellt, deren Bejahung als traditionalistisch gewertet wurde: (1) »Zum Bürgermeister und in den Gemeinderat sollte man am besten nur wohlhabende Leute wählen«. (2) »Es ist immer sicherer, wenn man bei den Parteien bleibt, die einmal an der Regierung sind«. (3) Es ist gut, wenn man in der Politik auf die älteren Leute hört, die mehr Erfahrung haben. (4) »Die Politik ist eine viel zu komplizierte Sache, das sollte man lieber denen überlassen, die etwas davon verstehen«. Insgesamt und in verschiedenen Untergruppen (Männer/Frauen, Stadt/Land) hielten sich die Abweichungen der Skalen innerhalb einer Fehlergrenze von 10 Prozent nach dem Guttman Koeffizient der Reproduzierbarkeit. Für eine ausführliche Beschreibung des Vorgehens siehe Ute Hagemann, Umfrage bei Arbeitern im Stadt- und Landkreis Freiburg, MA-Arbeit an der Universität Freiburg 1968/69.

(17) Der Unterschied im Wahlverhalten zwischen Männern und Frauen ist nur in der Arbeiterschaft sehr groß. Anstatt von der Faustregel auszugehen, daß »der Konservatismus der Frauem« der CDU Stimmen bringe, sollte man den Grand präziser bei der kirchlichen Bindung der Arbeiterfrauen lokalisieren. Blankenburg, S., a.a.O. S. 3945.Google Scholar

(18) Nur Befragte, bei denen beide Partner Angaben zu ihrem Wahlverhalten der Bundestagswahl 1965 machten. Freiburg Stadt und Land sind zusammen ausgewertet.

(19) Hieraus läßt sich ersehen, wie stark wir das Ausmaß divergenten Wahlverhaltens unterschätzt hätten, wenn wir die Aussagen der Ehepartner nicht auf einander bezieben könnten: wir wüßten dann nur, daß unter den Männern 15% mehr SPD-Stimmen abgegeben wurden. Bei weiteren 10 Prozent der Ehepaare wurde die Divergenz des Wahlverhaltens wegen Gegenläufigkeit nicht sichtbar.

(20) Damit bestätigt sich hier sogar innerhalb einer Primärgruppe die These von Scheuch, wonach »geringes Engagement an Politik auch ein geringes Maß an Offenheit beim Ausdruck der eigenen politischen Meinung zur Folge hat«. Erwin, S.Scheuch, K., Die Sichtbarkeit politischer Einstellungen, Kölner Zeitschrift, Sonderheft: Zur Soziologie der Wahl (Köln und Opladen 1965), S. 199.Google Scholar

(21) Sombart, Werner, Warum gibt es in den Vereinigten Siaaten keinen Sozialismus? (Tübingen 1906).Google Scholar

(22) In der Folge verallgemeinern wir die Ergebnisse unserer Studie, die durch die regionale Begrenzung und das Auswahlverfahren nur eine Fallstudie sein kann, auf die gesamte Bundesrepublik. Wir glauben dies zu können, da unsere Hypothesen aus den Ergebnissen repräsentativer Umfragen abgeleitet sind und sie schon vor Durcnführung unserer Studie von uns in den hier ausgeführten theoretischen Zusammenhang gestellt wurden. Siehe Blankenburg, , a. a. O. S. 7885.Google Scholar Wir beanspruchen hier lediglich, für diese Thesen einen exemplarischen Beleg zu liefern, der völlig unabhängig ist von den Daten, aus denen sie hypothetisch entwickelt wurden.