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Das Gleichnis Vom Ungerechten Verwalter (Lukas 16.1–8a)– Zugleich Ein Beitrag Zur Geschichte Der Restschuldbefreiung
Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
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Das zum lukanischen Sondergut zählende Gleichnis vom ungerechten Verwalter gehört zu den schwierigsten Passagen des Neuen Testaments. Seit der frühen Kirche haben sich Interpreten vergeblich um eine sinnvolle Deutung dieses Gleichnisses bem¨ht. Als Crux erwies sich vor allem Vers 8a: Warum lobt der Herr die Klugheit seines Verwalters, obwohl dieser betrügerisch und ungerecht handelte?
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- Copyright © Cambridge University Press 1995
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1 Vgl. bereits Cyrill von Alexandrien in seinem Lukaskommentar (Comm. in Luk. 16,1/PG 72, 809–10): ού γάρ ἂ;παντα τς παραβολς τά μήρη πολυπργμονεῖσθαι χρή λεπτς χαι ήζητασμένως.Google Scholar
2 Die Auslegungsgeschichte ist ausführlich dokumentiert bei Michael Krämer, Das Rätsel der Parabel vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1–13) (Zürich: Pas, 1972; = Diss. Rom 1972) 15–31; Adolf Rücker, Über das Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1–13) (Freiburg: Herder, 1912) 6–44; Johannes Christoph Schreiter, Historica-critica explicationum Parabolae de improbo oeconomo descriptio, qua varias variorum interpretum super Lucae 16, 1–3 expositiones digestas, examinatas suamque ex Apocryphis Veteris Testamenti potissimum haustam (Lipsiae, 1803).Google Scholar
3 Wie bereits häufig bemerkt wurde, hängt die Interpretation der Perikope davon ab, ob man Vers 8a als AbschlußB ansieht oder die weiteren Verse hinzunimmt. Die Einbeziehung von VV. 8b–15 hängt wiederum von der zugrunde liegenden Deutung des Gleichnisses ab. Im folgenden soil auf diese Frage nicht eingegangen werden; vielmehr wird bereits aufgrund eines bestimmten, im Text zu erläuternden Vorverständnisses von V. 8a als Schluß des ursprünglichen Gleichnisses ausgegangen.Google Scholar
4 Siehe statt aller Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Lukas (Berlin: Evangelische, 1988) 292 (‘betrügerisches Manöver’).Google Scholar
5 Erdmann, Walter, ‘Ein römischer procurator omnium bonorum in Judäa z.Z. Christi?’, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 64 (1944) 370–6.CrossRefGoogle Scholar
6 Duncan, J., Derrett, M., ‘Fresh Light on St. Luke XVI.I. The Parable of the Unjust Steward’, in: NTS 7 (1960) 198–219; ders., ‘“Take Thy Bond… and Write Fifty” (Luke XVI.6). The Nature of the Bond’, in: JTS 23 (1972) 438–40.CrossRefGoogle Scholar
7 InsbesondereCaird, G. B., The Gospel ofSt Luke (London: Penguin, 1963) 186–8; Krämer, Rätsel (Fußn. 1), 53ff.; Joseph A. Fitzmyer, ‘The Story of the Dishonest Manager (Lk. 16,1–13)’, in: TSt 25 (1964) 23–42 = Essays on the Semitic Background of the New Testament (London: Chapman, 1971) 161–84; ders., The Gospel according to Luke (X–XXIV) (New York: Brudy, 1985) 1094–9; ähnlich auch Paul Gächter, ‘The Parable of the Dishonest Steward after Oriental Conceptions’, in: CBQ 12 (1950) 121–31.Google Scholar
8 Vgl. zur Kritik auch Derrett (Fußn. 6), NTS 7 (1960) 198, 200 Fußn. 1.Google Scholar
9 Erdmann, , ZSavReg rom. Abt. 64 (1944) 370 unter Berufung auf Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht (Berlin: De Gruyter, 1940) 33–4.Google Scholar
10 So auch Douglas Parrott, M., ‘The Dishonest Steward and Luke's Special Parable Collection’, in: NTS 37 (1991) 499–515, 503–4.CrossRefGoogle Scholar
11 Entscheidend daher Derrett (Fußin. 6), NTS 7 (1960) 198, 204: ‘Doing his worldly duty by his master, the steward had been lending at interest to fellow Jews. The master was a “rich man” (…) — so lending at interest was more or less expected of the latter, if not actually authorized.’Google Scholar
12 So insbesondere der Mehrheitstext, der Alexandrinus, lateinische Handschriften und Origines.Google Scholar
13 Den Überlegungen liegt die 26. Auflage von Nestle-Aland zugrunde. Für die Lesart δύνῃ spricht vor allem deren Verwendung in Papyrus 75.Google Scholar
14 The New Testament in Greek, edited by the American and British Committees of the International Greek New Testament Project: The Gospel according to St Luke. Part Two - Chapters 13–24 (Oxford: Clarendon, 1987).Google Scholar
15 So auch Hans, Drexeler, ‘Zu Lukas 16,1–7’, in: ZNW 58 (1967) 286–8, 288.Google Scholar
16 Zum jüdischen Recht des ersten nachchristlichen Jahrhunderts sind sonst keine Quellen mehr überliefert; die ältesten Quellen finden sich in der Mischna und datieren vom 3. Jahrhundert.Google Scholar
17 Vgl. hierzu Marcus, Cohn, ‘Die Stellvertretung im jüdischen Recht“, in: Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 36 (1920) 124–213, 354–460; ders., Wörterbuch des jüdischen Rechts (Neudruck 1980 der im Jüdischen Lexikon [1927–1930] erschienenen Beiträge zum jüdischen Recht; Basel: Recht und Wirtschaft, 1980) 33–8; L. M. Simmons, ‘The Talmudic Law of Agency’, in: JQR 8 (1896) 614–31.Google Scholar
18 Kethuboth 85a. Ch.M. 58, 1, zit.n. Cohn (Fußn. 17), ZvglRwiss 36 (1920) 364.Google Scholar
19 Kidduschin 42b, zit. n. Cohn (Fußn. 17), ZvglRwiss 36 (1920) 145.Google Scholar
20 Vgl. Cohn, (Fußn. 17), ZvglRwiss 36 (1920) 163–8 mit weit. Nachw. Cohn äuCert an anderer Stelle die Auffassung, daß diese Trennung von Auftrag und Vollmacht dem modernrechtlichen Trennungsprinzip entspreche; vgl. ders., Wörterbuch (Fußn. 17), 35. Dies ist nicht zutreffend: Die Unterscheidung von Auftrag und Vollmacht im jüdischen Recht entspricht eher der Differenzierung zwischen General- und Spezialvollmacht. Zwischen auftragsrechtlichem Innen- und vertretungsrechtlichem Außenverhältnis wird im Talmud nicht unterschieden.Google Scholar
21 Vgl. Dtn 6.20–4. Siehe hierzu auch Erich Zenger, Der Gott der Bibel (Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1979) 108–13; Eckart Otto, Wandel der Rechtsbegrundungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israels (Leiden: E. J. Brill, 1988) 57–86.Google Scholar
22 Vgl. hierzu auch Frank Crüsemann, Widerstand gegen das Königtum. Die antiköniglichen Texte des Alten Testaments und der Kampf urn den frühen israelitischen Staat (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1978), insbes. 122–9; Harriet Katherine Havice, The Concern for the Widow and the Fatherless in the Ancient Near East. A Case Study in Old Testament Ethics (Yale University Ph.D., 1978) 207–53; Norbert Lohfink, Kirchenträume. Reden gegen den Trend (Freiburg: Herder, 1982) 73–99.Google Scholar
23 Vgl. Gustav Dalman, Arbeit und Sitte in Palastina 2: Der Ackerbau (Gütersloh: Bertelsmann, 1932) 44–5; W. Thiel, ‘Die Anfänge von Landwirtschaft und Bodenrecht in der Frühzeit Alt-Israels’, in: Altorientalische Forschungen 7 (Ost-Berlin, 1980) 127–41.Google Scholar
24 Vgl. Ex 21.37ff.; Dtn 27.17ff.; siehe hierzu auch Cohn (Fußn. 17), Wörterbuch des jüdischen Rechts, 75–81; J. Ebach, ‘Sozialethische Erwägungen zum alttestamentlichen Bodenrecht’, in: BN 1 (1976) 31–8.Google Scholar
25 Neben dem Schulderlaß spielten auch Abgaben an die Armen eine große Rolle; siehe dazu Hermann L. Strack/Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 4: Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments, Zweiter Teil (4. Aufl. München: Beck, 1965) 678–99. Francis E. Williams hat diese Sozialpflichten zum Anlaß genommen, das Gleichnis vom ungerechten Verwalter auf die Abgabe von Almosen zu beziehen; vgl. ders., ‘Is Almsgiving the Point of the “Unjust Steward”?’, in: JBL 83 (1964) 293–7 und ähnlich T. G. Jalland, ‘Note on Luke 16,1–9’, in: StudEv (TU 73; Berlin, 1959) 503–5. Gegen diese Deutung spricht aber, daß in dem Gleichnis an keiner Stelle von Almosen die Rede ist, sofern man nicht den Schulderlaß selbst im weitesten Sinne als Almosen versteht.Google Scholar
26 So auch Hans Jochen Boecker, Recht und Gesetz im Alten Testament und im Alten Orient (Neukirchen: Neukirchener, 1976) 77. Anders allerdings Gisela Prenzel, Über die Pacht im antiken hebräischen Recht (Stuttgart: Kohlhammer, 1971) 2–8, wonach das Fehlen der Pacht im AT mit dem nomadischen Leben des jüdischen Volkes in Verbindung steht.Google Scholar
27 Vgl. zum folgenden Elon, M., Freedom of the Debtor's Person in Jewish Law (hebräisch; Jerusalem, 1964); N. P. Lemche, ‘The Manumission of Slaves—The Fallow Year—The Sabbatical Year—The Jobel Year’, in: VT 26 (1976) 38–59; jeweils mit weit. Nachw.Google Scholar
28 Vgl. insofern zu Recht Friedrich Horst, ‘Das Privilegrecht Jahwes (Rechtsgeschichtliche Untersuchungen zum Deuteronomium)’, in: ders., Gottes Recht. Gesammelte Studien zum Recht im Alten Testament (München: Kaiser, 1961) 17, 82–5.Google Scholar
29 Vgl. hierzu auch Werner Bolle, Das israelitische Bodenrecht (Diss. Berlin, 1939) 100–1.Google Scholar
30 Vgl. hierzu North, R., Art. jôbel, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament 3: Hmr-jtr (ed. Wotterbeck, G. Johannes, Helmer, Ringgren; Stuttgart: Kohlhammer, 1982) Sp. 554–9; G. Wallis, ‘Das Jobeljahr-Gesetz, eine Novelle zum Sabbatjahr-Gesetz’, in: MIO 15 (1969) 337–45 jeweils mit weit. Nachw.Google Scholar
31 Vgl. hierzu Innocenzo Cardellini, Die biblischen ‘Sklaven’-Gesetze im Lichte des keilschriftlichen Sklavenrechts (Konigstein: Peter Hanstein, 1981) 323–64; Gerhard vom Rad, ‘Die Nehemia-Denkschrift’, in: ZAW 76 (1964) 176–87.Google Scholar
32 Vgl. Jos. Ant. 13.8.1; 14.10.6; Bell. iud. 1.2.4.Google Scholar
33 Jos. Ant. 14.16.2; 15.1.2.Google Scholar
34 Eusebius Praep. ev. 8.7; vgl. auch Tacitus Hist. 5.4; Philo von Alexandrien, De septennario, p. 284 M.Google Scholar
36 Vgl. hierzu auch die minutiösen Berechnungen von A. Löwy, A Treatise on the Sabbatical Cycle and the Jubilee (London, 1866) 37ff. und 60ff.Google Scholar
36 Vgl. zu Hillel, E. (Abkürzung nicht weiter auflösbar), Art. ‘Hillel’, in: Encyclopedia Judaica. Das Judentum in Geschkhte und Gegenwart 8: Hesse - Jerusalem (Berlin: Eschkol, 1931) 42–51 (mit weit. Nachw.).Google Scholar
37 Die Herkunft und Bedeutung dieses Begriffes ist unklar. Die herrschende Meinung verweist auf das griechische προσβουλή πρεσβύτων (vor dem Rat der Alten) als Ursprungswort; vgl. Emil Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi 2: Die inneren Zustände (Leipzig: Hinrichs, 1907) 427–8 mit weit. Nachw.Google Scholar
38 Vgl. hierzu ausführlich Ludwig Blau, ‘Prosbul im Lichte der griechischen Papyri und Rechtsgeschichteä in: Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Franz-Josef-Landesrabbinerschule in Budapest (Budapest: Alexander Kohut Memorial Foundation, 1927) 96–151; Aaron Rothkoff, Art. ‘Prosbul’, in: Encyclopedia Judaica 13 (P-Rec) (Jerusalem, 1971) 1,181–2. Siehe auch Heinz Schröder, Jesus und das Geld. Wirtschaftskommentar zum Neuen Testament (3. Aufl. Karlsruhe: Gesellschafl fur kulturhistorische Dokumentation, 1981) 197.Google Scholar
39 Gitt. 36a; Schewi'it 10.3, 4.Google Scholar
40 So auch das Ergebnis von Blau, Festschrift Franz-Josef-Landesrabbinerschule (Fußn. 38) 96, 134–51.Google Scholar
41 Blau, , Festschrift Franz-Josef-Landesrabbinerschule (Fußn. 38), 96, 100–12.Google Scholar
42 So etwa Bernhard und Johannes Weiss, Die Evangelien des Markus und Lukas (8. Aufl.; Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1892) 531 mit weit. Nachw. Jülicher hält die Klärung dieser Frage für überflüssig; vgl. ders., Die Gleichnisreden Jesu (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1963) 2.500.Google Scholar
43 Vgl. Jos. Ant. 8.2.9.Google Scholar
44 Vgl. Prenzel, Pacht (Fußn. 26), 7–8 und 28.Google Scholar
45 Ant. 8.2.9.Google Scholar
46 Strack, Hermann L./Billerbeck, Paul, Kommentar um Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 2: Das Evangeiium nach Markus, Lukas und Johannes und die Apostelgeschichte (4. Aufl.; München: Beck, 1965) 218 (zu Lk 16.6). Vgl. die ungenauen Angaben bei Wiefel, Evangeiium (Fußn. 4), 292 (36.5 hi.).Google Scholar
47 Grundlage ist auch hier wieder Jos. Ant. 15.9.2, wonach ein Bar zehn Attischen medimnoi gleichkommt. Allerdings setzt Josephus an anderer Stelle ein Kor mit 4/7 eines Medimnos gleich; vgl. Ant. 3.15.3.Google Scholar
48 Vgl. die Angaben bei Wiefel, Evangelium (Fußn. 4), 292.Google Scholar
49 Vgl. auch Joachim Jeremias, Die Gleichnisse Jesu (9. Aufl.; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1977) 130–1.Google Scholar
50 So auch Jeremias, Gleichnisse (Fufin. 49), 180–1, der hierfür allerdings die Vorliebe des Orientalen für hohe Zahlen verantwortlich macht.Google Scholar
51 Vgl. hierzu Polotsky, H. H., ‘The Greek Papyri from the Cave of the Letters’, in: IEJ 12 (1962) 258–62.Google Scholar
52 Mur 24B, zit. n. Benoit, P./Milik, J. T./de Vaux, R., Les Grottes de Muraba'at (Oxford, 1961) 124–8. Der Text findet sich auch bei H. Bardtke, Die Handschriftenfunde in der Wüste Juda (Berlin: Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft, 1962) 88–9.Google Scholar
53 Prenzel, Pacht (Fßfin. 26), 28.Google Scholar
54 Bernhard Heininger, Metaphorik, Erzählstruktur und szenisch-dramaturgische Gestaltung in den Sondergutgleichnissen bei Lukas (Münster: Aschendorff, 1991) 167–81. - Nicht überzeugend ist m.E. allerdings der Hinweis auf die Parallelen von σκάπτειν ούκ ίσχύω zu Aristophanes Aυ. 1432 (S. 170).Google Scholar
55 Siehe auch die Parallelen in Lk 6.48: 8.43; 14.6, 29; 20.3.Google Scholar
56 Vgl. hierzu ausführlich Blau, Festschrift Franz-Josef-Landsrabbinerschule 1927 (Fufin. 38), 96, 126ff. mit weit. Nachw.Google Scholar
57 Vgl. hierzu auch Yairah Amit, ‘The Jubilee Law - An Attempt at Instituting Social Justice’, in: Justice and Righteousness. Biblical Themes and Their Influence (ed. Reventlow, Henning Graf/ Hoffmann, Yair; Sheffield: Academic, 1992) 47–59.Google Scholar
58 Horst, ‘Privilegrecht’, in: ders., Recht (Fußin. 28), 17, 87.Google Scholar
59 So auch das Resümee von Hans Gerhard Kippenberg, Religion und Klassenbildung im antiken Judäa. Eine religionssoziologische Studie zum Verhältnis von Tradition und gesellschaftlicher Tradition (2. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1982) 154–5.Google Scholar
60 Ob es sich bei dem ‘κύριος’ um den Gutsherrn oder Jesus selbst handelt, ist eine unsinnige Frage; denn in dem Begriff des ‘Herrn’ verschmilzt die Figur des Auftraggebers mit dem Erzähler des Gleichnisses.Google Scholar
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- Cited by