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Übersehen oder verbannt? Hanns Eislers Bilder aus der Kriegsfibel

from New Brecht Research

Published online by Cambridge University Press:  11 March 2017

Arnold Pistiak
Affiliation:
Humboldt-Universität
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Summary

“Krieg” war ein Thema, mit dem sich Eisler lebenslang beschäftigt hatte— erinnert sei unter anderem an die frühen Lieder, den zwölftönigen Chor Gegen den Krieg, die Svendborger Kantaten, die Deutsche Sinfonie, das Chorlied Der Krieg ist kein Gesetz der Natur nach einem Text von Ernst Fischer, den Motivkomplex Frieden—Krieg in Johann Faustus, an die Bühnenmusik zu Bechers Winterschlacht, das Friedenslied oder auch an das Chorlied Regimenter gehn nach Majakowski. Der späte Eisler fügte diesen Werken eine weitere, höchst individuelle Komposition hinzu—Bilder aus der Kriegsfibel: fünfzehn Musikstücke, die jeweils kaum länger dauern als eine Minute. Fünfzehn Musikstücke aber auch, die nicht unabhängig von den Fotografien und Texten der Kriegsfibel Brechts verstanden werden können und die darüber hinaus in enger Nachbarschaft zu Paul Dessaus großem Chorwerk Deutsches Miserere stehen. Fünfzehn Musikstücke schließlich, die auf eine sehr direkte Weise mit dem Faustus-Projekt verknüpft sind— und zwar, genauer, mit jenen Problemen, über die Eisler nach der Faustus- Kampagne, aber auch nach dem Brief an das Zentralkomitee der SED Ende 1953 in Wien nachdachte. Denn die tagebuchähnlichen Notizen Eislers sprechen ja nicht nur von Kälte und Verzweiflung; sie sprechen auch über das Vorhaben, die Faustus-Oper sehr wohl fortzusetzen, und sie äußern höchst bedenkenswerte Gedanken zu der eigenen kompositorischen Arbeit. Obgleich formuliert mit Blick auf das Faustus-Projekt, lassen sie sich in einem weiteren Sinn auch als eine Art Absichtserklärung für sein weiteres Schaffen überhaupt verstehen:

Mit Zögern und Zagen gehe ich an die Komposition zu meinem Dr. Faustus. Eine enorme Arbeit, ein Berg von Mühsal und Verzweiflung. Misstrauisch blicke ich in die Zukunft. Schmerzhaft sehe ich und voll Sorge, dass ich mit jeder Konvention, auch der modernistischen, zu brechen habe. Voll Sorge sehe ich, dass ich auf Raffinements verzichten muss und mir eine raffinierte Einfachheit erarbeiten muss, wenn ich den Sinn und die Bedeutung auch des Bühnenmäßigen treffen soll. Mutlosigkeit vor all den Schwierigkeiten. Weisen derartige Überlegungen nicht auf den musikalischen Gestus der (meisten der) folgenden Werke hin—Nuit et Brouillard etwa, Das Schwitzbad, Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin, die späten Lieder, die Ernsten Gesänge? Auf das eigentliche Spätschaffen Eislers also? Dazu mag man unterschiedliche Auffassungen vertreten. In meinem Verständnis aber lassen sich diese Kompositionen durchaus als Versuche verstehen, diese Ansprüche zu verwirklichen.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2016

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